ن Die Sande #1 – Nayra ا
- veröffentlicht in: Die Sande, Marokko
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Party mit Ali, Fatima & Holger
Ein faszinierender Mensch, dieser Nayra. Über einer Jeans und einem ausgeblichenen T-Shirt trägt er einen lockeren, orangefarbenen Kaftan und auf dem Kopf einen Turban. Das Ganze hat etwas von einem Hippie. Er ist der erste Mensch, den wir in Marokko treffen, der kein Ramadan praktiziert. Liberté. Freedom. Und so …Bisher hatte ich doch bereits Hemmungen, meine Wasserflasche herauszuholen. Daher habe ich meist heimlich hinter der nächsten Hausecke etwas getrunken. Und was für eine Wohltat, er spricht Englisch. Das ist hier in Marokko keineswegs selbstverständlich, fast alle sprechen französisch und das können wir leider so gut wie gar nicht.
Der Tee wird mit einer Schale voll Mandeln serviert und wir sind begeistert, das erste Mal in einem echten Berber-Haushalt zu sein. Der Tee ist lecker und wir sind sofort in einem lebhaften Gespräch.
Nayra ist voller kleiner Weisheiten („Kamele sind überlebenswichtig für die Wüste, Frauen für das Leben“) und lebt ein faszinierendes Leben. Nur in den Sommermonaten ist er in diesem Haus, sonst leitet er Monate währende Trecks durch die Wüste nach Timbuktu. Thorsten bekommt glänzende Augen.
„Habt ihr schon eine Übernachtung? Nein? Dann könnt ihr gerne hier schlafen: Auf der Dachterassse oder oben in einem klimatisierten Raum. Ich würde gerne mit Euch essen, was haltet ihr von einer Tajine?“ Wir sind von dieser herzlichen Gastfreundschaft begeistert.
Nayra scheint ebenso über unsere Gesellschaft erfreut zuz sein wie wir. Er möchte uns unbedingt die nahegelegene Tuareg-Oase Fint zeigen und beschließt, uns Ali und Fatima zu nennen, weil er sich unsere Namen nicht merken kann. Thorsten nennt ihn deswegen ab sofort Holger.
Wir drei steigen in unseren Mietwagen und los geht es über Schotterpisten. Thorsten dann erneut seine Fahrkünste beweisen. Die Landschaft ist grandios! Das Auto stellen wir an einem kleinen Weg ab und spazieren durch ein ausgetrocknetes, idyllisches Flussbett.
Bei mir keimt eine kurze Unsicherheit auf: Sind wir nicht in die Oase gefahren, um zu essen? Genauso gut könnte Nayra jetzt um die Ecke verschwinden, unser Auto vollgepackt mit all unseren Sachen geklaut werden und wir würden hier nie wieder hinaus finden.
Nein, der Plan ist ein anderer: Nach einem Gang durch ein verfallenes, altes Dorf, an einem uralten Brotbackhaus und kleinen Nutzgärten vorbei, gelangen wir zu einem sehr romantisch am Hang gelegenen Gasthaus. Hier sind alle Freunde. Wir können unser Glück kaum fassen, nun haben wir wirklich Berber und Tuaregs kennengelernt.
Wieder im Haus angelangt, dürfen wir dann auch prompt eine Berberdusche genießen. Aus einem großen Plastikeimer schöpft man sich mit einem Topf etwas Wasser und soll es in der Stehtoilette über sich gießen… Wir standen natürlich nicht in der Toilette, sondern davor. Das klappt erstaunlich gut. Mit frisch gewaschenen Haaren wird uns auch schon Nayras Schwager aus Timbuktu vorgestellt. Er wird heute Abend für uns kochen. Ich darf beim Zubereiten der Tajine zugucken. Nayras rote Augen versuchen wir zu übersehen.
So langsam führt Nayra das Gespräch in Richtung Wüstentour, die er mit uns machen könnte. Nachdem er merkt, dass wir keine Lust auf die Standard-Touristentour mit 30 Minuten Kamelritt haben, zeigt er uns auf unserer Karte, was wir machen könnten: Erst geht es mit einem geländetauglichen Wagen in die Sahara zu einem Berbercamp (nein, es ist nicht DIE Sahara, alle Wüsten hier in der Gegend werden Sahara – abgeleitet von ‚Sahrawi‘, dem arabischen Wort für Wüste – genannt).
Er wird für uns Couscous kochen und wir werden in der Nacht in die Sterne blicken. Am nächsten Tag würden wir dann mit ihm und einem seiner Brüder auf Kamelen mehrere Stunden zum nächsten Camp reiten. Thorsten strahlt und fühlt sich wie ein kleiner Junge. Am letzten Tag geht es dann zurück mit einem Besuch an einen See, in dem wir auch Baden können.
Das Ganze soll 600 € kosten. Das ist richtig viel Geld. Trotzdem entscheiden wir uns, diese einmalige erscheinende Gelegenheit nicht verstreichen zu lassen und sagen zu.
Kaum haben wir „Ja“ gesagt, sollen wir auch gleich bezahlen. Nayra erklärt uns auf Grund unserer besorgten Blicke, dass er den Geländewagen, das Wüstencamp, Essen etc. im voraus bezahlen müsse. Wir willigen ein. Nachdem das Kartengerät nur für marokkanische Karten funktioniert, fahren wir zu einem Geldautomaten und bezahlen in bar. Dabei besorgen wir auch gleich noch eine Flasche von dem leckeren Sahara Rosé. Nayra nutzt die Gelegenheit und nimmt auch noch ein paar Flaschen für seine Familie in der Wüste mit. Seine Frau ist eine Tuareg und lebt mit den vier gemeinsamen Kindern und anderen Familienmitgliedern in der Wüste.
Dann ist auch das Essen fertig und richtig lecker. Wir sitzen nach arabischer Art auf dem Boden, essen aus einer Schüssel und geniessen gemeinsam unseren Wein. Wir wollen zum Essen auch etwas beitragen und so geht Thorsten noch einmal zu dem bewachten Parkplatz in der Nähe, wo wir unseren Mietwagen abgestellt haben, um die belgische Schokolade, die wir am Flughafen gekauft haben, zu holen.
Immer wieder erwähnt Nayra den wundervollen „yellow carpet„, den er für mich hat. Ich mag keine Teppiche. Ich mag auch keine afrikanische Muster. Nachdem ich nun alleine mit ihm bin, holt er eine weitere Flasche Wein und das von ihm über alles geliebte Kaktusöl. Er beginnt meine Hand zu massieren (**Thorsten?**). Ich möchte ja höflich sein, aber das wird mir nun doch zu viel.
Um ihn davon abzubringen, bitte ihn nun doch, mir den gelben Teppich zu zeigen. Es geht eine kleine Treppe hinauf, ein kleiner Vorhang wird beiseite geschoben. Dahinter eröffnet sich ein kompletter Laden voller „Berbereien“: Tücher, Schmuck, Kleidung, Keramik, Stühle und – wie gesagt – viele, viele Teppiche. Nayra breitet den ersten, den zweiten und auch den dritten auf dem Boden aus. Sie gefallen mir so gar nicht (**Thorsten, wo bleibst Du?**).
Die Qualität ist auch nicht gerade hervorragend. Ich versuche, ihm zu erklären, dass unsere Wohnung wirklich sehr, sehr klein ist. Falls noch nicht erwähnt: In Marokko sind wir selbstverständlich verheiratet. Ich würde mich aber sehr über ein schönes Tuch freuen. Dabei schiele immer wieder zur Treppe (**Thorsten, bitte komm ganz bald zurück!**).
Und endlich, da kommt Thorsten mit einem sehr besorgten Gesichtsausdruck die Treppe hinauf, weil er mich zunächst nicht finden konnte und stimmt mir mit den ersten Blick auf die ausgebreiteten Waren zu: Das ist nicht für uns. Wir bekommen trotzdem für die Wüste zwei Turbantücher – für mich eines in rot, für Thorsten eines in blau-schwarz.
Thorstens nicht besonders wertvolle Uhr hat Nayra schon von Anfang an sehr gefallen und er beginnt mit ihm zu verhandeln: Den Schmuck in der Vitrine mögen wir nicht, aber irgendwann wird noch eine kleine extra verschlossene Truhe geöffnet… nun beginnt das wirkliche Handeln. Am Ende besitzt Thorsten ein angeblich von Nayras Großvater selbst hergestelltes Silber-Armband und Nayra seine Uhr und dazu eine Kette. Ich bekomme am Ende ebenfalls ein kleines Armband ‚geschenkt‘ und gebe dafür meinen H&M-Rock für seine Frau. Die Tücher müssen wir bezahlen. Das ist OK, denken wir, bei soviel Gastfreundschaft.
Nun überwältigt mich doch die Müdigkeit, ich mag keinen Wein mehr, nicht mehr Handeln, nicht mehr Reden und obwohl Nayra sich gerade ein weiteres Glas eingeschenkt hat, schaffen wir es irgendwann, ihn endlich dazu zu bringen, uns alleine zu lassen. Wir bekommen noch zwei gebrauchte Schlaf-Kaftane und nach einer kurzen Fotosession im Laden, lassen wir uns dort auf zwei harten Bänken nieder, schieben unsere leichten Zweifel an Nayra beiseite, um von der morgigen Tour zu träumen…
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Hilfe, das ist ja spannend. Ihr seid ganz schön mutig! Hoffentlich geht alles gut aus. M