Essaouira

Von Sidi Ifni nach Essaouira.

Eine lange Tour. Ein paar mehr als 500 km. Grandioses Rennen durch die Serpentinen des Antiatlas, ein James Bond würdiger Set. Vor uns zwei blaue Taxis, in rasanter Verfolgungsjagd. Fenster runter und Arme raus. Natürlich. Es ist heiss. Ein paar Kilometer hänge ich dran.

taxirennen Eine tolle Fahrt. Bremsmanöver. Beschleunigung. An Überholen ist nicht zu denken. Auch wenn ich es natürlich versuche … Nach einer Weile schaut Marion mich freundlich lächelnd an. Ich drossele das Tempo.

Wir erreichen unser Ziel: Essaouira. Über eine hügelige Landstrasse rollen wir bergab auf einen breiten Boulevard entlang am Meer. Er biegt scharf links ein und führt uns zu einer Schranke vor einem Parkplatz. Wir halten vor einem Ticketautomaten. Ich ziehe ein Billett. Noch bin ich zu erschöpft, um zu verstehen, dass wir gleich eine besondere Grenze überschreiten.

Parkplatzwächter mit spontanen Preisen, taxiert nach Fahrzeug und Herkunft der Insassen: Wo immer wir auf dieser Rundfahrt stoppen, daran sind wir in Marokko gewöhnt. Exaktheit von Ankunft und Abfahrt, gemessen von einem Apparat, das ist  neu für uns. Der gezogene Zettel berechtigt uns zum Parken unseres Wagens. Die Schranke öffnet sich. Wir fahren hindurch. Immerhin, als wir aussteigen, werden wir sofort von Karrenziehern und Hotelschleppern bestürmt. Wir sind also immer noch in Marokko.

essaouira-casa-veraEssaouira – Die Arabische. Afrikanische. Marokkanische. Europäische. Essaouira – die ganz andere Stadt. Am Meer. Mit Flair. Mit Laissez-faire. Hier dürfen wir flanieren. Lustvoll in die Auslagen der Händler schauen. Kaum ein Guide bedrängt uns, um uns den rechten Weg zu weisen. Kaum ein Händler zwingt uns in seinen Laden. Kaum einer versperrt uns den Weg.

Ein großer Platz, Place Moulaiy Hassan. An seinem vorderen Teil wirkt er fast quadratisch. An seiner etwas breiteren Seite, stadteinwärts, das alte, etwas heruntergekommen anmutende, französische Hotel Casa Vera. Es hat eine traumhafte Dachterrasse. An der Front des Platzes liegt das Meer. Rechter Hand zieht sich die Stadtmauer. Ganz hinten in der Ecke ein Café. Ein paar Tische verstellen den Weg zum Stadttor ‚Bab el-Mansour‘. Wir setzen uns. Bestellen Minztee. Bevor er kommt, muss ich mich schon wieder erheben, durch das Tor schauen.

fussball-essaouiraHinter der Mauer liegt eine breite Straße, eigentlich ein weiterer großer Platz. Die Avenue Oqba Ibn Nafiaa reicht tief in die Medina hinein. Ein metallenes Gatter lässt eine schmale Passage frei. Sie wird von Schaulustigen verengt. Hinter dem Gatter ein Fussballspiel. Als ich die Szenerie betrete, ertönt ein Pfiff. Das Spiel erstirbt. Erregt erhebt sich Gemurmel, schwillt an. Ein flüchtiger Blick:  Ein schwarz Gewandeter wird von den Spielern bedrängt, offensichtlich der Spielleiter. Sein Pfiff wird nicht gemocht. Obwohl verunsichert, unter dem Gejohle der Zuschauer und dem bedrängenden Geschrei der Spieler zurückweichend, bleibt er in seiner Entscheidung standhaft. In ihrer Unzufriedenheit beschliessen beide Mannschaften, sich zu setzen.

Ich weiß nicht, ob dieses Spiel eine kleine Bolzerei zwischen zwei spontan entstandenen Mannschaften, oder ein anderes, vielleicht gar hochklassiges Match zweier etablierten Teams darstellt. Eines steht fest: In Marokko wird Fussball gelebt. Egal, um was es geht. Auf und neben dem Spielfeld.

Ich reisse mich aus dem Geschehen. Es ist nach 19 Uhr. Ein Hotel muss her. Meine Idee funktioniert augenblicklich, ich lasse mir von meinem iPhone die erreichbaren WLANs anzeigen. Mögen Marokkos Altstädte noch so mittelalterlich wirken, in der Gegenwart sind sie dennoch längst angekommen. Das gilt auch für Essaouira.

Jack´s Apartments steht ganz oben auf der Liste der dienstbereiten Hotspots und einige andere mehr. Jack´s Apartments steht auf der von uns unterwegs recherchierten Liste der möglichen Unterkünfte ebenfalls ganz oben. Und da das WLAN mit voller Signalstärke angezeigt wird, muss es sich in unmittelbarer Nähe befinden. Noch ein paar Schritte und ich finde, was ich suche. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert: Kurz denke ich an Mohamed, den Wüstensohn. Auch ich weiß, wie man sich in einer fremden Umgebung orientiert. Ein bisschen Pendeln nach links, ein bisschen nach rechts.
Breit grinsend betrete ich Jack´s Kiosk, am hinteren Teil des Place Moulaiy Hassan gelegen, und erkundige mich nach einem Zimmer. Man schickt nach Jack und ich eile zu Marion, um ihr (vermutlich nun überheblich grinsend) die frohe Botschaft zu verkünden.

Jack ist Schweizer. Seine Apartments sind wirklich toll. Wir besichtigen ein großartiges Studio. Leider viel zu teuer. Und wir brauchen so etwas auch nicht. Jack zeigt uns die Terrasse. Sensationeller Blick über die Dächer von Essaouira aufs Meer. Sunset pictures, geschossen von Reisenden wie wir. Wir mögen sie. Aber: Es ist uns zu voll. Wir fremdeln. Jack quittiert es mit einem freundlichen Lächeln und verabschiedet uns. Die Nacht bricht herein. Ich bin angespannt. Ich habe Marion versprochen, dass wir in Essaouira eine entspannte Zeit haben werden. Ohne große Hotel-Sucherei … Wir brauchen ein Zuhause.

 


 

essaouira-riad-emeraude-dachterrasseNatürlich ist es Marion, die die rettende Idee hat. Sie zückt einen Zettel.

Auch das Riad Emeraude hat eine blaue Tür. Mustapha aus Marrakesch mit seinen großartigen Tipps hat es uns empfohlen. Nur für eine Nacht? Über den Preis werden wir uns mit dem nur französisch und arabisch sprechenden Nachtportier schnell einig. Das Zimmer ist reizend. Das Riad liegt direkt in der Medina, unweit der Stadtmauer.

essaouira-dar-babaWir schlendern durch das abendliche Essaouria. Die Medina ist überschaubar. Wir finden uns schnell zurecht. Der Souk ist mäßig belebt. Marion will Pasta. Auch ich habe kurzfristig genug von Minze, Koriander, Orangensaft und Co. Ohne Mühe finden wir ein italienisches Restaurant – Dar Baba. Wir haben einen Speisesaal ganz für uns alleine. Wir geben unsere Bestellung auf. Die Kellnerin liebt uns.

essaouira-suqEs ist nach 23 Uhr. Wir hatten Pasta und einen köstlichen Cappuccino. Wir kommen aus der schmalen Gasse, in dem das kleine italienische Restaurant liegt, zurück in den Souk. Die Situation dort hat sich total verändert.

Ich bin eigentlich so einer, der große Menschenansammlungen und Gedränge überhaupt nicht liebt. Marion liebt es auch nicht. Wir schauen uns an. Marion lächelt vergnügt. Ich freue mich und nicke. Einverständnis ohne Worte. Das ist Glück.

Wir stürzen uns hinein, mitten ins Abenteuer.
Das Treiben umfängt uns. Drängt uns weiter. Ohne Ziel, aber stetig vorwärts. Fast verlieren wir uns. Aufgeregte Menschen drücken sich an uns vorbei. Es sind einige ausnehmend Anziehende dabei. Was verbirgt sich unter jenem Kaftan, hinter jenem Schleier?

essaouira-essenKopfkino: Hätte Jean-Baptiste Grenouille seine Phiole Parfum inmitten dieses Trubels geöffnet … was würde sich hier offenbaren? Ein interessanter Gedanke. Keine Zeit, dem nachzuhängen. Zu viele Augenblicke. Hastige Geschmeidigkeit. Nie habe ich eine derartige Ansammlung aufgeregter Menschen so anregend erlebt.

Was wir im Wirbel der Sinneseindrücke erblicken:
Frische Fische, Früchte, Feigen. Orangen, Oliven, Oregano. Stoffe, Socken, Schleier. Turbane, Tücher, Tabake. Geschmeide, Gemüse und Gedöns.
Inmitten der krakeelenden, kaufenden, kauenden Marokkaner (nach Sonnenuntergang – Ramadan) ein hoffnungslos steckengebliebener Lieferwagen. Glückliche Gesichter. Gefeilsche. Gedränge. Turbulente Tollerei.

Essaouria. Du Schöne. Wir sind verliebt.

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Thorsten Siefert Marion Lustig
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